Juristen arbeiten garantiert 50, 60 Stunden im Büro und das jede Woche! Das ist ein gängiges Vorurteil. Heutzutage sehen daher immer weniger Berufseinsteiger einen sehr arbeitsintensiven Beruf mit möglichst hohem Gehalt als erstrebenswert an. Viele junge Absolventen legen mehr Wert auf Freizeit und die persönliche Verwirklichung als auf ein hohes Einstiegsgehalt. Dieser Trend ist auch an den Juristen nicht vorbeigegangen. Laut einer aktuellen AZUR Umfrage wünschen sich 32 % der angehenden Juristen eine Arbeit, die sich gut mit Familie und Freizeit vereinbaren lässt. An zweiter Stelle der Kriterien für die Arbeitgeberwahl folgt schon das Betriebsklima mit 31 %. Das Gehalt halten lediglich 12 % der Befragten für entscheidend. Die Work-Life-Balance wird also immer wichtiger.
Hieß es früher in Deutschland noch „Lebe, um zu arbeiten“, sollte es heutzutage „Arbeite, um zu leben“ heißen.
Daher stellen wir Euch heute juristische Berufe vor, die viel Freizeit und Flexibilität bieten. Hier steht die Work-Life-Balance klar im Vordergrund.
Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst (Verwaltungsjurist)
Wer kennt ihn nicht? Den mit den Beamten verbundenen Leitspruch: „Freitag um eins, macht jeder seins.“
Natürlich gibt es zwischen den einzelnen Behörden große Unterschiede. So brennen im Bundesministerium auch noch abends in manchen Büroräumen die Lichter, während das in einem Bezirksamt eher undenkbar ist.
Der Staat ist für freizeitliebende Menschen jedenfalls nach wie vor die erste Berufswahl. Und sicher ist der Job dazu auch noch. Wenn man nicht kriminell wird oder extremistisches Gedankengut verfolgt, ist man nach der Verbeamtung praktisch unkündbar. Das Beamtenverhältnis besteht auf Lebenszeit. Die Pension ist im Vergleich zur Rente mehr als üppig und man kann sich günstig privat krankenversichern. Das stellt in Zeiten des Ärztemangels einen großen Vorteil dar. Außerdem gibt es im öffentlichen Dienst teils hohe Familienzuschläge für verheiratete Paare und / oder solche mit Kindern. Bei Familienfreundlichkeit punktet der öffentliche Dienst ebenso. Wenn man nach der Geburt des Kindes ein Elternjahr zuhause bleiben will, stellt dies kein Karrierehindernis dar.
Wenn Dich das alles reizt, steigst Du nach dem 2. Staatsexamen als Verwaltungsjurist im öffentlichen Dienst ein. In der Besoldungsgruppe A 13 (Erfahrungsstufe 1, Land Berlin) bekommst Du dann als Single knapp 4.300 EUR (brutto) im Monat. Die Zahlen variieren je nach Bundesland und Behörde. So gibt es z.B. beim Zoll oder der Polizei unter Umständen noch Amtszulagen. Als Bundesbeamter verdient man knapp 4.600 EUR (brutto) im Monat Einstiegsgehalt in der Besoldungsgruppe A 13.
Richter
Die Arbeitszeiten im Richteramt variieren stark. So gibt es nach wie vor (insbesondere ältere) Richter, die nur 30 Stunden pro Woche arbeiten. Ein Amtsrichter am Strafgericht in Berlin wird ein anderes Lied singen. Dennoch ist das Richteramt im Vergleich zu der anwaltlichen Tätigkeit von der Arbeitsbelastung her deutlich entspannter. Zudem ist man als Richter weitestgehend selbstständig: Aufgrund der richterlichen Freiheit darf einem niemand in die eigene Arbeit hereinreden. Auch sind Richter dafür bekannt, seit jeher – und nicht erst seit Corona – ausgiebig im Home-Office zu arbeiten.
Es gibt es darüber hinaus wenige Berufe, die besser mit einem geordneten Familienleben zu vereinbaren sind. Dazu sind die Anforderungen an die Noten in den vergangenen Jahren stark gefallen. Während man früher in Berlin z.B. in beiden Staatsexamina zweistellige Noten haben musste, genügt heute ein Prädikat (9 Punkte aufwärts) in einem der beiden Examen. In manchen Bundesländern ist nicht einmal mehr ein Prädikat notwendig.
Auch das Gehalt liegt etwas oberhalb desjenigen der Verwaltungsjuristen. Richter verdienten in der Besoldungsgruppe R 1 in etwa 4.700 EUR brutto (Erfahrungsstufe 1, Land Berlin, kein Familienzuschlag). Das sind schon am Anfang knapp 400 EUR mehr als ein Jurist in der Verwaltung verdient.
Staatsanwälte verdienen übrigens genauso viel wie Richter. Allerdings ist deren Arbeitsbelastung deutlich höher und die Möglichkeit der Home-Office-Nutzung mitunter sehr begrenzt.
Arbeit in Verbänden und bei den Krankenkassen
Auch in Verbänden oder bei den Krankenkassen lässt sich die Arbeit mit dem Privatleben gut vereinbaren.
Beispielsweise ermöglicht der ADAC den Mitarbeitern prinzipiell flexible Teil- und Gleitzeitmodelle und selbst die Chefetage muss nicht aufs Home-Office verzichten.
Exemplarisch für die gesetzlichen Krankenkassen kann man die Techniker Krankenkasse nennen. Hier gibt es u.a. ein sog. Lebenszeitarbeitskonto, auf dem die Überstunden erfasst werden. Nach einigen Jahren kann man sich dann z.B., wenn man ausreichend Stunden gesammelt hat, ein bezahltes Sabbatical nehmen oder später früher in den Ruhestand ohne Abschlag gehen.
Das Gehalt variiert und liegt im Durchschnitt bei 55.000 bis 65.000 EUR im ersten Jahr.
Rechtsabteilung in Unternehmen
Schließlich kann auch die Arbeit als Jurist in der Rechtsabteilung eines Unternehmens eine gute Work-Life-Balance bieten. Viele große Unternehmen (z.B. Volkswagen, Bosch oder die Deutsche Bahn) zahlen Gehälter, die nicht weit unter dem Gehalt in einer Großkanzlei liegen, obwohl die geforderten Arbeitsstunden oftmals viel geringer sind. Knapp 100.000 EUR Einstiegsgehalt sind bei Dax-Konzernen im Bereich des Möglichen. Außerdem gibt es flexible Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit eines Sabbaticals und Home-Office. Manche Unternehmen, wie Siemens, haben sogar eine eigene Kita.
Ihr seht, die Arbeit als Jurist kann immer spannend sein, sie muss aber nicht zwangsläufig auf Kosten eines geordneten Privat- und Familienlebens gehen.
Euer Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie
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