Wer hat Angst vor der GoA? Grundlagenverständnis
09.08.2024 I Sophie Goldenbogen

Einige Themenbereiche werden im Grundstudium recht stiefmütterlich behandelt. Kurz vor den Semesterferien erleben wir wie in einer Vorlesungseinheit mal eben so noch ein ganzes Rechtsgebiet abgefrühstückt wird. Um eines dieser Themen soll es heute in unserem Blogbeitrag gehen: die Geschäftsführung ohne Auftrag. Wie immer gilt: Wer den Sinn und Zweck versteht, macht weniger Fehler bei unbekannten Problemen im Examen. Deshalb gehen wir heute ganz an den Anfang und zeigen euch, wieso man die GoA einen quasivertraglichen Anspruch nennt und warum es sich lohnt, sicher im Auftragsrecht zu sein.

Wer den Auftrag versteht, versteht die GoA

Bereits im Namen „ohne Auftrag“ steckt der entscheidende Hinweis, worum es bei der echten GoA geht. Wir kennen Schaden- und Aufwendungsersatzansprüche u.v.m. aus dem Vertragsrecht. Was aber, wenn es sich um einen Notfall handelt und für den Vertragsschluss bzw. den Abschluss eines Auftrages keine Zeit mehr bleibt? Hier hilft uns die GoA weiter, die an vielen Stellen ins Auftragsrecht verweist. Das sieht man besonders gut an dem folgenden Beispiel. Hier vergleichen wir die gleiche Situation einmal mit und einmal ohne Auftrag.

Feuerlöschen mit Auftrag

Das Haus des A steht in Flammen. A ruft seinen Nachbar B an und bittet ihn die Flammen mit seinem Feuerlöscher zu löschen. B löscht die Flammen, dabei gehen seine Klamotten kaputt. Auch sein Feuerlöscher ist danach nicht mehr zu gebrauchen. Kann B Ersatz für seine Klamotten und den Feuerlöscher verlangen?
A. Schadenersatz aus §§ 280 I, 241 II BGB (–)
Klar ist, dass wir trotz Schuldverhältnis mangels Pflichtverletzung keinen Anspruch aus den klassischen §§ 280 ff. BGB haben.

B. Aufwendungsersatz nach §§ 662, 670 BGB (+)
Da A den B beauftragt hat sein Haus zu löschen und B diesen Antrag angenommen hat, liegt ein Vertrag in Form eines Auftrags zwischen den beiden vor. Als Rechtsfolge gewährt der § 670 BGB nun dem Auftragnehmer einen Aufwendungsersatzanspruch für solche Aufwendungen zu, die er zur Ausführung des Auftrags für erforderlich halten durfte. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. Wir müssen uns also nur noch fragen, ob der aufgebrauchte Feuerlöscher und die zerstörten Klamotten darunter fallen.
Den Feuerlöscher hat B freiwillig zur Löschung des Hauses benutzt. Hier liegt unproblematisch eine Aufwendung vor. Die Klamotten hingegen hat B nicht freiwillig aufgewendet, sie sind „unfreiwillig“ durch das Feuer zerstört worden.

Im Rahmen einer Analogie gesteht man aber dem Auftragnehmer einen Ersatzanspruch für die sogenannten begleittypischen Schäden zu. Warum macht man das? Die vergleichbare Interessenlage ergibt sich daraus, dass bei direkter Anwendung des § 670 BGB der Auftragnehmer auf den Kosten für die Klamotten sitzen bleiben würde. Schäden sind im Vertragsrecht eigentlich nur bei Verschulden ersatzfähig. Im Einzelfall ist es aber schwierig, freiwillig in Kauf genommene Aufwendungen von begleittypischen Schäden abzugrenzen. Das gilt besonders bei solchen Schäden, die ganz typisch und vorhersehbar in der entsprechenden Situation entstehen. In unserem Fall liegt es nahe, dass bei einer Löschaktion Brandlöcher in der Kleidung entstehen. In einer perfekten Welt hätte B bei so einem typischen Schaden bei der Brandlöschung geahnt, dass es dazu kommen würde und unter Umständen im Vorhinein schon einen Ersatz explizit ausgehandelt. Weil der Schaden so typisch und vorhersehbar ist, könnte man zudem fast sagen, dass B freiwillig seine Klamotten aufgewendet hat. Ergebnis: Planwidrigkeit liegt vor. Die Interessenlage zwischen freiwilligen Vermögensopfern und solchen, die man typischerweise bei einem Auftrag in Kauf nehmen muss, ist mehr als vergleichbar. B bekommt über § 670 BGB analog daher auch Ersatz für seine Klamotten.

Feuerlöschen ohne Auftrag

Der Fall bleibt gleich, B löscht das Haus des A, allerdings hat A ihn diesmal mit nicht dazu aufgefordert, sondern ist wegen des Brands bewusstlos. Kann B Ersatz für seine Klamotten und den Feuerlöscher verlangen?
A. Aufwendungsersatz nach §§ 662, 670 BGB (-)
Hier liegt kein Vertrag zwischen A und B vor, weswegen uns die Anspruchsgrundlage von eben nicht weiterhilft.
B. §§ 677, 683 i.V.m. § 670 BGB für Feuerlöscher und § 670 BGB analog für Klamotten
Selbst wenn kein Auftrag erteilt wurde, normieren die § 677 ff. BGB „quasi“ doch die Situation eines Auftrags, wenn die Voraussetzungen vorliegen (daher: „quasivertraglicher“ Anspruch).



 = Im Interesse oder nach dem Willen des Geschäftsherrn

B hat, ohne dazu beauftragt zu sein, mit Fremdgeschäftsführungswillen ein fremdes Geschäft geführt, weil er im Interessenkreis des A das Feuer gelöscht hat. Damit liegen die Voraussetzungen des § 677 BGB vor. Da das Feuerlöschen außerdem im Interesse des A, nämlich objektiv nützlich, war und dem mutmaßlichen Willen des A entsprach, liegen auch die Voraussetzungen des § 683 BGB vor. Liegen die Voraussetzungen der echten berechtigten GoA i.S.d. § 683 BGB vor, ist die Rechtsfolge dieselbe als würde ein Auftrag vorliegen, d.h. Ersatz der erforderlichen Aufwendungen gem. § 670 BGB, d.h.
a) bzgl. Feuerlöscher (+) da freiwillige, erforderliche Aufwendung
b) bzgl. zerstörten Klamotten (–), weil nicht freiwillige Vermögenseinbuße
Gleichwohl werden auch bei § 683 BGB i.V.m. § 670 BGB analog die begleittypischen Schäden ersetzt.

Fazit

Wir sehen, die echte berechtigte GoA hilft uns dort, wo eigentlich ein Vertrag hingehört, aber aus irgendeinem Grund keiner geschlossen wurde. Sie schützt damit diejenigen Menschen, die sich hilfsbereit für andere einsetzen. Deswegen sind die GoA und der Auftrag so eng miteinander verbunden. In fast jedem Examensfall wird die GoA zumindest einmal angesprochen und gehört damit zum Standard der juristischen Grundlagen. Die echte berechtigte GoA ist natürlich nur der Anfang.
Wenn ihr mehr hilfreiche Erläuterungen zur GoA lesen möchtet, schaut gerne auf unserem Blog nach weiteren Beiträgen . Neben vielen Fachbeiträgen werdet ihr hier auch immer mit neuester Rechtsprechung versorgt. Oder vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin mit einem unserer erfahrenen Dozenten. Die Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Sophie Goldenbogen

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