Die Grundlagen der Stellvertretung
18.12.2024 I Sophie Goldenbogen



In unserem heutigen Blogbeitrag wollen wir uns mit den absoluten Grundlagen zum Stellvertretungsrecht beschäftigen. Die Stellvertretung kann in einer Klausur an ganz vielen Stellen auftreten. Die Stellvertretung wird immer dann relevant, wenn es um die Prüfung eines Vertrages oder jedenfalls einer Willenserklärung geht. Der Grundgedanke ist eigentlich ganz einfach: Man hat selbst keine Zeit, um einen Vertrag abzuschließen und bittet daher eine andere Person, das für einen zu tun. Es ist also ein Gedanke von Outsourcing. Die Stellvertretung muss man daher in einer Klausur auch immer an der Stelle prüfen, an der man festgestellt hat, dass eine bestimmte Person selbst keine Willenserklärung abgegeben hat. Nachdem man das in einem Satz kurz erwähnt, leitet man die Stellvertretung mit dem bekannten Satz ein: „Die Willenserklärung einer anderen Person, beispielsweise B, könnte aber dem A gleichwohl zugerechnet werden, wenn die Voraussetzungen einer Stellvertretung vorliegen.“ Denk daran, dass in einer Klausur immer im Obersatz die rechtliche Wertung aufgeworfen wird. Die Stellvertretung ist im Übrigen eigentlich nur ein Unterfall von anderen Zurechnungsoptionen. Man sollte zum Beispiel im Strafrecht die wechselseitige Zurechnung von Tätern bei der Mittäterschaft kennen, gemäß § 25 Abs. 2 StGB. Genauso gibt es im BGB die Zurechnung von Verhalten von Organen zum Verein hin, vergleiche § 31 BGB. Schließlich gibt es noch § 278 BGB, der etwa die Zurechnung von Verhalten von Erfüllungsgehilfen oder gesetzlichen Vertretern im Rahmen von Schuldverhältnissen bewirken kann. Aber zurück zu unserem BGB-AT-Thema:

Vorraussetzungen

Die Stellvertretung ist der Spezialfall, dass Willenserklärungen einer anderen Person zugerechnet werden. Natürlich geschieht das nur unter besonderen Voraussetzungen. Und das sind die Folgenden:



Der Stellvertreter muss eine eigene, wirksame Willenserklärung abgegeben haben. Das ist auch logisch, denn genau diese Willenserklärung wollen wir ja dem Vertretenen zurechnen. An dieser Stelle werden also alle Probleme geprüft, die diese Willenserklärung betreffen können. Beispielsweise könnte man hier thematisieren, dass der Vertreter selbst noch gar nicht geschäftsfähig ist. Wenn ein Vertreter erst fünf Jahre alt ist, so ist seine Willenserklärung gemäß § 105 nichtig und kann also auch nicht zugerechnet werden. Ein Geschäftsunfähiger kann gleichwohl schon Bote sein, weil hier ja keine Willenserklärung formuliert, sondern nur überbracht wird. Im Übrigen ist bei diesem ersten Prüfungspunkt auch zu thematisieren, dass die Willenserklärung, die zugerechnet werden soll, wirksam abgegeben und auch zugegangen ist. Die zweite, wichtige Voraussetzung für die Stellvertretung ist, dass die Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben wurde. Dieser Prüfungspunkt zeigt gewissermaßen an, dass es sich aus der Sicht des Erklärungsempfängers um ein Drei-Personen-Verhältnis handeln muss. Man nennt es auch das Offenkundigkeitsprinzip. Für den Erklärungsempfänger, also den Empfänger derjenigen Willenserklärung, die wir gerade versuchen, einer Person zuzurechnen, muss es zumindest aus den Umständen offenkundig ersichtlich sein, dass der Vertragspartner nicht derjenige, der die Willenserklärung abgibt, sondern eine andere Person. Für den Erklärungsempfänger darf also nicht der Eindruck entstehen, dass er es gerade mit seinem Vertragspartner zu tun hat. Hiervon wird natürlich die allseits bekannte Ausnahme gemacht, dass es sich um ein Bargeschäft des täglichen Lebens handelt. In einem letzten Schritt ist nun nur noch zu prüfen, dass sich der Stellvertreter, der ja eine eigene Willenserklärung in fremden Namen abgegeben hat, dabei auch im Rahmen seiner wirksam ihm gegenüber erteilten Vertretungsmacht gehandelt hat. Es ist im Übrigen auch möglich, dass die Vertretungsmacht gegenüber dem Erklärungsempfänger erteilt wird, das ist aber eher die Ausnahme, sogenannte Außenvollmacht. Dieser Prüfungspunkt dient natürlich dazu, dass sich eine Person natürlich nur dann eine Willenserklärung zurechnen lassen muss, wenn er eine andere Person hierzu gewissermaßen ermächtigt hat. Es muss also jetzt geprüft werden, dass der Vertretene eine Vertretungsmacht erteilt hat und dass sich der Vertretende im Rahmen dieser Vertretungsmacht verhalten hat und diese insbesondere nicht überschritten hat. Ganz wichtig an dieser Stelle ist es, dass auf gar keinen Fall der Begriff des Auftrags fallen darf. Das Wort Auftrag hat im Grunde im Rahmen einer Stellvertretung nichts verloren. Wenn ich jemanden bevollmächtige, etwas zu tun, dann schließe ich mit dieser Person „auch“ einen Auftrag, dass er das unentgeltlich tut, und erteile ihm zugleich eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, eine Vollmacht, vergleiche § 167 BGB. Der Auftrag regelt lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber. Der Auftrag für sich genommen ist nicht in der Lage, dem Auftragnehmer eine Vertretungsmacht zu vermitteln, sondern das ist die vom Auftrag abstrakt losgelöste und getrennt zu behandelnde Vertretungsmacht. Klausurbearbeiter machen hier oft den Fehler, dass sie schreiben: „Durch den Auftrag ist der Vertreter bevollmächtigt, fünf Brötchen im Namen des A zu kaufen.“ An einem schlechten Tag wird der Korrektor hier einen Trennungs- und Abstraktionsfehler feststellen. Denn: Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip gilt nicht nur beim Erfüllungs- und Verpflichtungsgeschäft, sondern auch im Stellvertretungsrecht.

Überschreitung der Vertretungsmacht vs. Missbrauch der Vertretungsmacht

Es sei an dieser Stelle außerdem darauf hingewiesen, dass man sich so früh wie möglich den Unterschied klarmachen sollte zwischen der Überschreitung einer Vertretungsmacht und dem Missbrauch einer Vertretungsmacht. Vereinfacht gesagt gilt Folgendes: Es kann niemals zugleich eine Überschreitung der Vertretungsmacht und ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegen. Wenn der A den B zum Bäcker schickt, um in seinem Namen zehn Brötchen zu kaufen, und der B kauft 20 Brötchen, so überschreitet der B seine Vollmacht, die auf zehn Brötchen beschränkt war. Hier ist keinesfalls die Rede von einem Missbrauch der Vertretungsmacht. Im Gegenteil, der Missbrauch, der Vertretungsmacht setzt geradezu voraus, dass sich jemand im Rahmen meiner Vertretungsmacht bewegt hat. Typischerweise wird der Missbrauch der Vertretungsmacht nämlich bei Vertretern thematisiert, die eine unbeschränkte Vertretungsmacht haben, zum Beispiel GmbH Geschäftsführer oder OHG-Gesellschafter (dazu aber mehr in einem anderen Blogbeitrag).

Anscheins- und Duldungsvollmacht

Schließlich wollen wir diesen Blogbeitrag noch einmal nutzen, um an der Stelle auf einen Beitrag zu verweisen, in der bereits Stellvertretungsrecht angerissen wurde: In diesem Beitrag ging es um „fahrlässige Willenserklärung“. In diesem Beitrag haben wir die Anscheins- und Duldungsvollmacht kennengelernt. Diese beiden Formen der Rechtsscheinhaftung braucht man immer dann, wenn man in einer Klausur festgestellt hat, dass eine Person eine Willenserklärung in fremden Namen abgegeben hat, aber dem Vertreter keine ausdrückliche und keine konkludente Vollmacht erteilt wurde. Trotzdem wirft der Sachverhalt die Frage auf, dass der Vertretende vielleicht aber auch nicht alles richtig gemacht hat. Diese Fälle werden von der Duldungs- und Anscheinsvollmacht erfasst, und wir wollen hier auf einen gängigen Fehler eingehen. Die Duldungsvollmacht ist eine Form der Rechtsscheinhaftung. Kennzeichen ist, dass eine Person in fremden Namen aufgetreten ist, ohne hierfür bevollmächtigt zu sein. Die Duldungsvollmacht sagt jetzt aber, wenn der Vertretene von diesem Vorgehen gewusst hat, aber es geduldet hat, d.h. nichts dagegen getan hat, so wird der Fall so behandelt, als hätte er konkludent diese Person bevollmächtigt. Hier wird vielfach gefordert, dass die Person bereits mehrmals in fremden Namen aufgetreten sein muss. Das ist gerade bei der Duldungsvollmacht aber nicht der Fall! Denn: Bei der Duldungvollmacht sind die Anforderungen an das Wissen des Vertretenen sehr hoch. Er muss nämlich wissen, dass die andere Person in seinem Namen unterwegs ist. Wenn diese hohe Anforderung erfüllt ist, reicht es aber, wenn schon beim ersten Mal der Vertretene nichts dagegen getan hat. Ganz anders ist das bei der Anscheinsvollmacht. Bei der Anscheinsvollmacht weiß der Vertretene nicht positiv, dass eine andere Person in seinem Namen unterwegs ist. Wenn aber Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er es bei Einhaltung der Sorgfalt eigentlich hätte wissen können, so haftet der Vertretene. Weil wir hier aber die Anforderungen niedriger hängen als bei der Duldungsvollmacht, fordert die herrschende Meinung natürlich, dass der Vertreter gegenüber dem Geschäftspartner mehrmals im Namen des Vertretenen aufgetreten sein muss. Leider vertauschen die Studenten oft diese Voraussetzungen.

Fazit

Die Fälle zur Stellvertretung sind zahlreich und kommen im echten Leben wie im Examen sehr häufig vor. Die Grundlagen und die bekannten Probleme der Stellvertretung müssen daher beherrscht werden. Da bekanntlich eine Klausur stark davon abhängig ist, ob ein Vertrag wirksam ist oder nicht, sollten hier keine Fehler passieren.
Hier nicht auf Lücke zu lernen, zahlt sich also aus! Wenn ihr noch mehr spannende Fälle zur Stellvertretung oder zu anderen aktuellen Fragen rund um das Zivilrecht lesen möchtet, abonniert gerne unseren Newsletter[3] .
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Sophie Goldenbogen
 


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