Die juristische Seminararbeit (Teil 4)

01.04.2024 | von Dr. Robert König

Teil 4: Wissenschaftliche Arbeitsweise in der Jura Seminararbeit

Die korrekte wissenschaftliche Arbeitsweise ist das A und O für juristischen Erfolg. Ohne eine gute Quellenarbeit und richtige Zitierweise ist es kaum möglich, zweistellige Seminararbeiten im Schwerpunkt des Jurastudiums zu schreiben.
Im heutigen Beitrag soll sich daher alles um das wissenschaftliche juristische Arbeiten drehen. Alle Ratschläge zur Seminararbeit (Studienarbeit) gelten übrigens genauso für die Bachelorarbeit – sei es im integrierten Jura Bachelor oder im Studiengang Wirtschaftsrecht (Wirtschaftsjuristen).

Checkliste: Sprachstil in juristischen Themenarbeiten

Jura besteht aus Sprache. Wir Juristen argumentieren präzise unter Verwendung der korrekten Fachtermini. Für die Korrektoren, d.h. Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter, ist dies selbstverständlich. Und genau dies erwarten sie auch von Euch bei der Anfertigung der Seminararbeit.
Achtung! Es ist weder der Gutachtenstil noch der Urteilsstil zu nutzen, sondern derjenige „normale“ juristische Sprachstil, wie Du ihn in einer Fachzeitschrift oder in Dissertationen findest. Diese sprachlichen Fertigkeiten werden im Studium leider überhaupt nicht thematisiert. Ganz im Gegenteil, schließlich bestehen alle Klausuren und Hausarbeiten aus einem Gutachten. Daher solltest Du Dich rechtzeitig vor Anfertigung der Seminararbeit mit dem richtigen Sprachstil befassen. Sofern Deine Fakultät entsprechende Beratungsangebote hat, solltet Du diese auf jeden Fall wahrnehmen.

Satzbau

Vergiss die langen Schachtelsätze, die Deinen Deutschlehrer im Gymnasium beeindruckt haben. Die Sprache einer Seminararbeit muss dem Inhalt dienen, d.h. flüssig, lesbar und verständlich sein. Nutze kurze und präzise Sätze.

Aktiv

Auch solltest Du im Aktiv bleiben und nach Möglichkeit das bei vielen Jurastudenten beliebte Passiv vermeiden.
Beispiel: Anstatt „Es wurde ein neues Gesetz erlassen.“ besser „Der Gesetzgeber erließ ein neues Gesetz.“ schreiben.

Vermeide Substantivierungen

Nutze außerdem Verben anstelle von Substantivierungen.
Beispiel: Anstatt „Einfluss ausüben“ besser „beeinflussen“ schreiben; anstatt „Folge leisten“ besser „befolgen“ schreiben.

Sachliche Sprache

Eine blumige oder ausschweifende Sprache ist ebenfalls fehl am Platz. Du schreibst keinen Roman oder ein Gedicht, sondern eine „langweilige“ wissenschaftliche Abhandlung. Diese besticht nicht durch sprachliche Finessen à la Goethe, sondern durch Klarheit und Präzision in der fachlichen Argumentation.

Rechtschreibung & Grammatik

Schließlich versteht es sich von selbst, dass eine wissenschaftlich korrekte Sprache auch die gängige Rechtschreibung und Grammatik beinhalten muss. Ich habe (zu) viele Arbeiten korrigiert, die Unmengen an sprachlichen Fehlern aufwiesen. Dies ist nicht nur ärgerlich, sondern auch unnötig.
Tipp: Die Autokorrektur von Word wird dem Namen nicht gerecht. Nutze daher Rechtschreibtools, wie das Programm LanguageTool. Dieses ist nach meiner Erfahrung derzeit das beste Rechtsschreib- und Grammatikprogramm auf dem deutschen Markt. Es hat außerdem ein praktisches Plug-in für Word. Richtig gut funktioniert dieses jedoch leider nur in Windows. Wenn Du einen Mac nutzt, solltest Du anstatt des Plug-ins auf die Web-App ausweichen.

Lektorat in Seminararbeiten?

Ein normales Sprachlektorat ist immer zulässig und gut investiertes Geld. Dabei handelt es sich nicht um Ghostwriting, denn der Lektor verbessert nur Deinen Sprachstil und korrigiert sprachliche Fehler. Es ist höchst fahrlässig, eine Seminararbeit ohne eine fachmännische sprachliche Korrektur abzugeben.
Nach meiner jahrelangen Erfahrung führt eine gut lektorierte wissenschaftliche Arbeit zu einer Steigerung der Endnote um 2 bis 3 Punkte im Vergleich zu einer von Kommilitonen oder Freunden gegengelesenen Arbeit desselben Inhalts.

Zitierweise in der juristischen Seminararbeit

Kommen wir zu dem wesentlichen Punkt einer guten wissenschaftlichen Arbeitsweise, der Quellenarbeit und der Zitierweise. Der Korrektor setzt voraus, dass Du dieses beherrscht – schließlich hast Du vor Beginn der Schwerpunktarbeit schon die juristischen Hausarbeiten absolviert. Dennoch ist es erschreckend, wie vielen Jurastudenten unnötige und vermeidbare Fehler unterlaufen.

Welche Zitierweise ist nun richtig?

In der Rechtswissenschaft gibt es nicht die eine Zitierweise. Beispielsweise sind beide folgenden Zitierweisen korrekt:
BVerfGE 100, 313 (362) oder BVerfGE 100, 313, 362.
Mustermann, in: Grüneberg, § 812 BGB Rn. 12 oder Grüneberg/Mustermann, § 812 BGB Rn. 12.

Gebot der Einheitlichkeit

Das oberste Gebot bei der Zitierweise ist die Einheitlichkeit. Man muss sich von Anfang an für ein und dieselbe Zitierweise entscheiden. Im Übrigen lässt das häufige Wechseln zwischen unterschiedlichen Zitierweisen beim Korrektor die Alarmglocken klingen. Dies ist ein Indiz dafür, dass der jeweilige Verfasser der Seminararbeit die Quellen blind zitiert, d.h. aus einer Sekundärquelle ungelesen kopiert. Wenn Du nicht aus der Originalquelle zitierst, musst Du das kenntlich machen. Schreibst Du ein Sekundärzitat einfach ab, wird dies Blindzitat genannt. Blindzitate sind kein Kavaliersdelikt, sondern Plagiate. Mir sind selbst mehrere Fälle bekannt, in denen eine Seminararbeit wegen solcher Blindzitate aufgrund eines plagiatsbedingten Täuschungsversuchs mit 0 Punkte bewertet wurde. Wichtig ist es daher, sich die Mühe zu machen, die Originalquelle zu lesen und nur diese zu zitieren.

Wo Fußnoten setzen?

Viele Studierende fragen sich außerdem, wo man eine Fußnote setzen muss. Die Regel hierfür ist einfach: Überall dort, wo Du einen fremden Gedanken übernimmst, setzt Du eine Fußnote.
Tipp: In Word kannst Du bei Windows-Betriebssystemen eine Fußnote mit der Tastenkombination strg + alt + f setzen.
Wenn Du Dir unsicher bist, setz im Zweifel eine Fußnote. Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine Arbeit wegen „zu vielen Fußnoten“ schlechter bewertet wurde. Im Gegenteil sind viele Fußnoten ein Beleg für eine gute Literaturauswertung. Als Faustregel bewegst Du Dich mit durchschnittlich 4 bis 6 Fußnoten pro Seite in einem guten Bereich.
Ich gehe in 2 separaten Artikeln noch einmal ausführlich auf die Zitierweise aller üblichen Quellen (Aufsätze, Kommentare, Rechtsprechung usw.) ein.

Literaturauswertung

Kommen wir zu einem Thema, dessen Bedeutung sich wenige Studenten bewusst sind, der Literaturauswertung. Jeder Korrektor achtet auf eine möglichst umfassende Auswertung der Literatur und Rechtsprechung, denn eine gute Schwerpunktarbeit muss den aktuellen Forschungsstand in der Rechtswissenschaft zu dem Thema, das vorgegeben wurde, widerspiegeln. Falls Du Teil 1 dieser Serie noch nicht gelesen hast, in dem es um den Erwartungshorizont des Korrektors geht, ist er hier noch einmal verlinkt.
Der Prüfer erwartet, dass Du die aktuelle Literatur möglichst umfassend auswertest und Dich argumentativ mit ihr auseinandersetzt. Dabei ist es wichtig, auch möglichst aktuelle Quellen zu verwenden. Wenn Du z.B. ein Thema zum „Datenschutz & Social Media“ bearbeitest, solltest Du vorrangig Quellen der letzten 2-3 Jahre nutzen, da diese Thematik häufigen Änderungen unterliegt. Daneben musst Du natürlich auch ältere Quellen zum Thema lesen, auswerten und zitieren. Jedoch sollte Dein Fokus immer auf möglichst aktuellen Quellen liegen.

Wo finde ich Quellen?

Eine gute Recherche ist das A und O. Nutze dazu alle Wege. Die erste Anlaufstelle sind die Onlinedatenbanken, also allen voran Beck-Online und Juris. Wusstest Du, dass auch viele andere Verlage mittlerweile ihre Werke elektronisch anbieten? Beispielsweise haben auch De Gruyter oder Nomos eine stetig wachsende E-Bibliothek.
Tipp: Wenn Deine Universität keinen umfassenden Zugang zu Beck-Online oder Juris anbietet, so kannst Du bei beiden Anbietern einen kostenlosen Testzeitraum buchen. Achte nur darauf, dieses Abo sofort zu kündigen, da es ansonsten teuer wird.
Daneben findest Du auch über Google und insbesondere Google Scholar wissenschaftliche Quellen. Achte darauf, nur wissenschaftliche Quellen zu nutzen. Du kannst etwa die Artikel elektronischer juristischer Zeitschriften, die Open Access publizieren, d.h. allgemein über das Internet zugänglich sind, zitieren. Bei Blogartikeln und sonstigen Online-Quellen solltest Du vorsichtig sein. Selbst wenn diese im Einzelfall, z.B. Zeitungsartikel bei einem aktuellen Thema, zitierfähig sind, gehe sparsam hiermit um. Der Schwerpunkt Deiner Quellen sollte immer bei den streng wissenschaftlichen liegen. Dies umfasst Fachaufsätze, Beiträge in Kommentaren und Sammelbänden, Monografien (insbesondere Doktorarbeiten; zitiere nicht aus sonstigen Abschlussarbeiten, die bei Anbietern wie dem GRIN Verlag publiziert werden) und natürlich Entscheidungen der Gerichte.
Ein weiteres wichtiges, aber gerne vergessenes Tool bei der Recherche ist der Katalog (OPAC) der Deutschen Nationalbibliothek. Dieser Katalog enthält sämtliche in Deutschland publizierte Druckwerke.

Fazit zur Seminararbeit Jura (Studienarbeit)

Die Wichtigkeit der korrekten wissenschaftlichen Arbeitsweise kann gar nicht oft genug betont werden. Der beste Inhalt wird bei einer (stark) fehlerhaften wissenschaftlichen Arbeitsweise zu keiner zufriedenstellenden Note in der Seminararbeit führen. Achte daher beim Schreiben der Arbeit von Anfang an auf die korrekte Zitierweise und einen juristischen Sprachstil.
Um mehr zur Seminararbeit zu erfahren, schau Dir gerne auch Artikel 1, Artikel 2 und Artikel 3  dieser Serie an.

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Dr. Robert König

 


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