Was war der Hintergrund bei der BGH-Entscheidung?

Die Betriebsschließungsanordnungen und damit einhergehende Umsatzeinbußen haben gerade bei Gewerben, die wenig Rücklagen ansammeln konnten, dazu geführt, dass bald die Miete für die Ladenräume nicht mehr gezahlt werden konnte. Daraus erwuchs der dringende Wunsch der Mieter, das geschlossene Mietverhältnis an die veränderten Bedingungen anzupassen, insbesondere den Mietzins herabzusetzen. Es stellte sich die Frage, ob eine Vertragsanpassung wegen einer Corona-Schließungsanordnung möglich wäre.

Der BGH hat hierzu in einer Entscheidung aus 2021 Stellung genommen. Diese ist aufgrund der Neuartigkeit sowie aufgrund des Gegenwartsbezug in besonderem Maße examensrelevant. Sie sollten es daher nicht versäumen, die Kernaussagen der Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen.

 

Welcher konkrete Sachverhalt lag der BGH-Entscheidung zugrunde?

Gegenstand des Falles, der dem BGH vorlag, war die Pflicht zur Zahlung einer Gewerberaummiete. Es ging hierbei um ein Einzelhandelsgeschäft der Ladenkette Kik, welches für einen längeren Zeitraum Anfang 2020 vollständig geschlossen wurde. Die Anordnung erfolgte in Form einer staatlichen Schließungsanordnung auf der Grundlage einer Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums. Hieraufhin hatte sich der Ladeninhaber gefragt, ob er dennoch weiterhin verpflichtet bliebe, den Mietzins für seine Ladenfläche zu zahlen.

 

Wie hatten die Gerichte in den ersten Instanzen entschieden?

Zunächst hatte in der ersten Instanz das zuständige Landgericht den Ladenbetreiber zur Zahlung der vollständigen Miete für den Zeitraum der Schließung verurteilt. In seiner Begründung hieß es, die Schließungsanordnung würde die Geeignetheit der Mietsache zu dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch nicht berühren.

Das Landgericht Dresden hatte sodann in zweiter Instanz eine Mietminderung vom 50% des vertraglich vereinbarten Mietzinses während der Betriebsschließung als gerechtfertigt angesehen. Das begründete das Gericht damit, dass das Risiko einer pandemiebedingten staatlichen Schließungsanordnung von beiden Vertragsparteien in gleicher Weise zu tragen sei.

 

Wie hat der BGH schließlich geurteilt?

Eine Störung der Geschäftsgrundlage bei pandemiebedingter Betriebsschließung ist möglich! So urteilte nun der BGH über den Anspruch des Mieters von Gewerberaum auf Anpassung des Mietzinses wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB, wenn sein Betrieb aufgrund hoheitlicher Anordnung geschlossen wird.

 

Was sind die Kernaussagen der Entscheidung?

Kein Mietmangel
Der BGH stellte dabei fest, dass die Corona-Maßnahmen keinen Mietmangel darstellen, da sich der Mangel hierbei auf die Mietsache zurückführen lassen müsste, d.h. unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts zusammenhängen müsste. Dies ist nicht der Fall, die pandemiebedingte Schließungsanordnung knüpft nicht an die Beschaffenheit der Mietsache an. Sie untersagt lediglich deren Nutzungsart. Darin liegt kein Mangel im Sinne von § 536 I 1 BGB begründet. Eine Mietminderung nach § 536 BGB kommt daher nicht in Betracht.

„Große Geschäftsgrundlage“ betroffen
Stattdessen würden die Corona-Maßnahmen die sog. „Große Geschäftsgrundlage“ betreffen, d.h. die Vertragsparteien hatten bei Vertragsschluss die Erwartung, dass die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen sich zumindest nicht grundlegend verschieben würden. Unter Annahme dieser Aspekte haben Sie den Vertrag geschlossen, was sie zur Grundlage im Sinne von § 313 I BGB macht. Diese Geschäftsgrundlagen würden durch Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und die damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen berührt.

Störung der Geschäftsgrundlage
Weiterhin liege auch eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, dies dadurch, dass die bei Vertragsschluss vorausgesetzten Erwartungen der Parteien im konkreten Fall durch die hoheitlichen erlassene Allgemeinverfügung enttäuscht wurden.

 

Ist laut BGH in solchen Fällen eine Vertragsanpassung möglich?

Die Störung der Geschäftsgrundlage allein könne die Beteiligten nicht schon zur Vertragsanpassung berechtigen. Der § 313 I BGB verlangt darüber hinaus eine Zumutbarkeitsprüfung. Das Festhalten am Vertrag wie er besteht, darf unter Berücksichtigung der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung einem der Vertragspartner nicht zugemutet werden können. Um dies zu bewerten, bedarf es aus Sicht des BGH einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung konkreter Abwägungsparameter. Ergeben diese, dass für einen Vertragsbeteiligten das Festhalten unzumutbar ist, ist eine Möglichkeit zur Vertragsanpassung nach BGH gegeben.
Zwar trägt der Mieter grundsätzlich bei der Anmietung seiner Gewerberäume ein hohes Verwendungsrisiko. Die Umsatzeinbußen im Zuge der Corona-Maßnahmen gehen allerdings über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus. Daher könne ein solches Risiko keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden.

 

Fazit

Das BGH-Urteil setzt klare Leitlinien für den Umgang mit allen gleichgelagerten Fällen im Bereich des Gewerbemietrechts. Hier wird es aufgrund der andauernden Pandemie nach wie vor zu Klagen kommen, sodass es für die Rechtssicherheit wichtig war, dass der BGH Maßstäbe für eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen etabliert hat. Die vom BGH als erforderlich angesehene Zumutbarkeitsprüfung gibt dabei den unteren Instanzgerichten weiterhin einen breiten Spielraum für individuelle Abwägungsentscheidungen, wodurch eine Entscheidung auch in Zukunft nicht zu 100% voraussehbar sein wird.

Für weitere interesssante und höchstgerichtlich entschiedene Fälle im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, schauen Sie sich gerne auch unseren Beitrag Aktuelle Verfassungsbeschwerden an. 

Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie
 

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