Im 1. oder 2. Jura Examen durchgefallen - nächste Schritte?

05.08.2024 | von RA Mario Kraatz


 

Wie gehe ich mit dem Scheitern im Jura Examen um?

Zunächst solltest Du absolute Ruhe bewahren! Es ist schwierig, ich weiß. Du hast einige Jahre Jurastudium oder sogar das Referendariat hinter Dir und öffnest nun den Brief vom Prüfungsamt oder hast im Internet die Noten der schriftlichen Aufsichtsarbeiten abgefragt. Bekommst dort die Hiobsbotschaft: Es hat nicht gereicht. Du bist durch das erste oder zweite Staatsexamen durchgefallen.
Ich weiß, das ist eine ganz schwierige Situation. Du fühlst Dich schlecht, niedergeschlagen und denkst Dir … Was ist jetzt hier passiert? Du hast Dich im Normalfall mindestens ein ganzes Jahr auf diesen Versuch vorbereitet und jetzt hat es einfach nicht geklappt.
Mach Dir den folgenden Spruch klar, so blöd er auch auf den ersten Blick klingen mag: Wenn man durchgefallen ist, geht zwar eine Tür zu, aber gleichzeitig gehen zwei neue wieder auf.
Du musst lernen im Leben, bei allen Dingen, die wie eine scheinbare Katastrophe wirken, etwas Positives herauszuholen. Eine Katastrophe wäre jetzt Krieg oder eine schwere Krankheit in der näheren Familie; aber nicht das Durchfallen im Staatsexamen. Letzteres kannst Du aus eigener Kraft ändern und in einem 2. Versuch bestehen. Und genau das ist nämlich das Thema, worum es geht: Geh doppelt und dreifach wieder gestärkt aus dieser Misere hervor. Diese Herangehensweise ist Teil einer gesunden Fehlerkultur. Du bist nicht gescheitert. Du bist hingefallen, aber kannst wieder aufstehen. Befreie Dich von diesen negativen Gedanken des „Scheiterns“ oder „Versagens“. Und sei Dir bewusst, dass Du nicht der Einzige bist, dem eine nicht bestandene Prüfung widerfährt - immerhin fallen ca. 25 % aller Juristen im 1. Versuch beim Juraexamen durch. Bei dieser hohen Durchfallquote bist Du also nicht allein.

Deine nächsten Schritte für einen erfolgreichen zweiten Versuch!

Klar ist: Du musst jetzt einen neuen Weg gehen, als Du vorher gegangen bist. Denn wer nur die gleichen Dinge tut, die er vorher getan hat, wird auch wieder die gleichen Ergebnisse bekommen. Wenn Du die folgenden Ratschläge beherzigst, bist Du auf dem richtigen Weg, das Examen beim zweiten Versuch zu bestehen!

1. Klausuren einsehen

Zunächst solltest Du beim JPA Einsicht in Deine Originalklausuren nehmen. Nimm Dir Zeit, Deine Klausuren zu analysieren. Dies ist in zweierlei Hinsicht wichtig:

Liegen Korrekturfehler vor?

Die meisten Korrekturen im Staatsexamen arbeiten richtig, jedoch gibt es im Einzelfall leider auch fehlerhafte Bewertungen, sodass eine Klausur zu Unrecht unter dem Strich gelandet ist. Dies zu beurteilen ist nicht einfach, zumal Du subjektiv betroffen bist. Letztlich haben die Prüfer auch einen weiten Beurteilungsspielraum, weshalb eine eventuelle Prüfungsanfechtung nur beim Vorliegen von Beurteilungsfehlern (z.B. Prüfer bewertet vertretbare Lösung als falsch) überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann.
Einen ersten Überblick über die gängigsten Beurteilungsfehler kannst Du in unserem Artikel zur Remonstration bekommen. Im Zweifel solltest Du Dir aber Hilfe holen von einem Profi - sei es über uns oder einen Dritten.
Hinweis: Sei Dir bewusst, dass ein mögliches Prüfungsanfechtungsverfahren viele Monate dauern kann. Daher kann es selbst im (seltenen) Fall einer fehlerhaften Benotung sinnvoll sein, parallel zur Prüfungsanfechtung eine erneute Examensvorbereitung zu beginnen.

Wo liegen meine Fehler in den Klausuren?

Betrachte Deine Klausuren genau, ließ Dir die Voten der beiden Korrektoren und ihre Randbemerkungen sorgsam durch. Notiere Dir die Stellen, die die Korrektoren kritisiert haben. Es ist vonnöten, dass Du diese Dinge auf einer Art Merkliste notierst. Nur so kannst Du gewährleisten, diese Fehler im nächsten Anlauf nicht mehr zu machen.

2. Was habe ich bisher in der Examensvorbereitung falsch gemacht?

Der nächste Schritt ist schwierig und unangenehm. Niemand gesteht sich gerne Fehler ein. Jedoch ist dieser Schritt unabdingbar. Du musst ehrlich zu Dir selbst sein und nüchtern analysieren, was Du in der Vorbereitung auf den 1. Versuch falsch gemacht hast.
Bei den meisten Jurastudenten ist es die fehlende Klausurenpraxis, wie ich es aus Erfahrung weiß. Das mache ich schon seit mehr als 20 Jahren. Wir sind inzwischen über 36 Dozenten an der Akademie Kraatz und darüber hinaus auch an der Assessor Akademie. Die Erfahrung deutet darauf hin, da wir inzwischen allein 7 Kollegen hier haben, die Prüfer am JPA waren, dass viele Kandidaten schlicht zu wenig oder gar keine Klausuren geschrieben haben. In den meisten Fällen ist das sogar bei Studenten, die bei anderen Anbietern oder der Universität einen Klausurenkurs gebucht hatten, der Fall. Das Problem ist, dass man sich selbst fragen muss, ob ich mich wirklich mit diesen Korrekturen auseinandergesetzt habe? Habe ich nicht stattdessen einfach die Klausuren genommen, als ich sie zurückbekam, und sie beiseitegelegt? Letzteres ist leider häufig der Fall.
Auf jeden Fall musst Du in Zukunft Änderungen vornehmen. Wenn Du zuvor ein Repetitorium besucht hast, solltest Du den Anbieter wechseln. Falls Du Dich allein oder nur an der Uni vorbereitet hast, solltest Du über eine Lerngruppe oder ein Repetitorium nachdenken. Gerade, wenn man das Examen nicht bestanden hat, ist es unabdingbar, den nächsten Versuch mit professioneller Hilfe anzugehen.

3. Einen neuen Examensplan erstellen

Du solltest Dir nun für den nächsten Examenstermin einen ausgearbeiteten Lernplan erstellen. Wie kann so ein Examensplan aussehen? Lerngruppe oder privates Repetitorium? Ein Jura Einzelrepetitorium suchen? Dies sind die Fragen, die Du Dir stellen solltest.

Ein Schlachtplan ist unabdingbar

Klare Lernstrukturen sind elementar, d.h. die Wochen und Monate sauber durchzustrukturieren für die künftige Vorbereitung.
Den Theoriestoff erarbeiten, Klausuren schreiben sowie den Unterricht an sich vor- und nacharbeiten. Man muss, das ist ganz wichtig, in regelmäßig wiederkehrenden Abständen auch Wiederholungseinheiten und auch Regenerationsphasen einplanen. Man sollte jetzt nicht anfangen, in den puren Aktionismus zu verfallen und sich überhaupt keine Pausen mehr gönnen. Einen Tag in der Woche würde ich mindestens freinehmen. Und ich würde alle 3 Monate mal ein Break einlegen, z.B. eine Woche Urlaub, um den Kopf freizubekommen.

Dauer des 2. Anlaufs

Für Deinen erneuten Versuch auf das juristische Staatsexamen empfehle ich Dir, nicht länger als 6-9 Monate einzuplanen. Letztlich hast Du bereits 70-90 % des benötigten Wissens im Kopf. Es geht nicht darum, alles neu zu erlernen. Vielmehr muss der Fokus darauf liegen, einerseits die verbleibenden Lücken zielgerichtet zu füllen und andererseits - dies ist der wichtigste Punkt - durch ausreichend Klausurpraxis das theoretische Wissen zu zementieren. Daher solltest Du Dir nicht länger als 9 Monate Zeit lassen. Jetzt kommt es darauf an, dass Du Dein Wissen so festigst (dazu unten mehr), dass Du in der Lage bist, hervorragende Examensklausuren zu schreiben.

4. Lernmaterialien

Nach unserer langjährigen Erfahrung solltest Du es vermeiden, Dich beim Lernen für den 2. Versuch zu sehr auf Skripte oder Lehrbücher zu konzentrieren. Bei den allermeisten Studenten ist es nicht fehlendes Wissen, sondern die fehlende Klausurenpraxis, die zum Nichtbestehen geführt hat.
Führe Dir dazu Folgendes vor Augen: Du musst Dir einfach vorstellen, Du willst schwimmen lernen. Du liegst nur am Strand und machst die Trockenschwimmübungen (mit den Skripten und Lehrbüchern). Aber Du gehst nie ins Wasser. Du wirst aber erst im Wasser lernen, wie Du mit den Herausforderungen umgehst. Erst im Wasser merkt man. Wie warm, wie kalt ist das Wasser jetzt? Kommt von links eine Welle, von rechts oder von vorn oder von hinten? Das ist vielleicht erst einmal nicht angenehm. 5 Stunden konzentriert eine Übungsklausur zu schreiben, machen keinen Spaß; selbst denjenigen nicht, die nachher das Examen mit einem VB bestanden haben. 

5. Hilfe in Anspruch nehmen

Am leichtesten gelingt Dir Dein Examen, wenn Du einen Coach an Deiner Seite hast, der Dich unterstützt und Dir zeigt, wie das Klausurenschreiben geht. Auch für Deine Motivation ist dies unablässig, jemanden an Deiner Seite zu haben, mit dem Du Dich austauschen kannst. Sei es eine Lerngruppe oder im Einzelunterricht. In über 20 Jahren haben wir mittels effektivem Einzelunterricht schon unzähligen Studenten zu einem erfolgreichen Staatsexamen verholfen. Gerade wenn man schon einmal durchgefallen ist, ist es wichtig, ständig ein direktes Feedback zu bekommen und jemanden an Deiner Seite zu haben, der einem den richtigen Weg zeigt.

6. Verbessere Dein Umfeld

Du solltest auch das „Drumherum“, Dein Umfeld, verbessern. Dazu gehören neben einer ablenkungsfreien Lernumgebung insbesondere die Themen Ernährung, Sport und Ausgleich.
Viele Studenten machen nach dem Schock des nicht bestandenen Examens den Fehler, bis zur Erschöpfung zu lernen. Das ist jedoch weder aus lernpsychologischer Sicht zielführend noch gesund. Du solltest Dir daher abends nach dem Lernen auch bewusst Zeit zum Entspannen nehmen. Triff Dich mit Freunden, treibe Sport oder gehe Deinen anderen Hobbys nach. Wenigstens 1-2 Stunden abends am Tag. 
Auch ist es wichtig, sich zu bewegen und Sport zu treiben. Denn am Ende des Tages bilden Körper und Geist nun mal eine Einheit. Du bist keine Maschine und musst Dir Deine Kräfte und Ressourcen einteilen.

7. Achte auf Deine Psyche

Versagensangst und Prüfungsangst sind ein ständiger Begleiter so gut wie jedes Jurastudenten. Gerade derjenigen, die im ersten Versuch nicht bestanden haben. Hast Du vielleicht schon vor Deinem ersten Versuch hierunter gelitten? Dann ist es jetzt an der Zeit, etwas dagegen zu unternehmen, denn der Druck wird im zweiten Versuch leider nicht weniger. Aber er ist in den Griff zu bekommen! Du musst Deine Gefühle und Ängste nicht allein in Dich hineinfressen. Rede mit Deiner Familie und engen Freunden darüber und nimm z.B. die psychologischen Beratungsangebote Deiner Universität in Anspruch.

8. Motivation

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für Deine erneute Examensvorbereitung ist das „Dranbleiben“. Lassen Dich nicht durch Fehlschläge von Deinem Ziel, ein erfolgreiches Jurastaatsexamen abzulegen, abbringen. Daher ist es wichtig, sich über die anstrengenden Monate hin zum 2. Termin bewusst zu motivieren und immer das Ziel vor Augen zu behalten.

Kein Plan B

Wenn man die erste juristische Staatsprüfung nicht besteht, ist es ganz normal, dass man sich im Kopf mit einem Plan B beschäftigt. Ich könnte arbeiten gehen oder dies oder jenes andere Fach studieren … Diese Gedanken sind jedoch für die Vorbereitung auf den zweiten Versuch schädlich. Wenn man etwas erreichen möchte, muss man sich voll und ganz auf Plan A konzentrieren und nicht über Möglichkeiten und Alternativen nachdenken!

Fazit: Die wirst Deinen Weg zum Juristen gehen

Gib nicht auf, bleib dran. Es ist zwar nicht schön, wenn Du die Mitteilung bekommst, dass Du durch das Examen gefallen bist. Aber jetzt hast Du die Chance, richtig anzugreifen und im Ergebnis dann vielleicht mit einem ordentlichen Befriedigend oder sogar einem VB aus dem nächsten Examensversuch herauszugehen.
Benötigst Du Hilfe? Dann sind die Kraatz Group, die Akademie Kraatz und die Assessor Akademie Dein zuverlässiger Partner. Ruf uns gerne an für einen kostenlosen Beratungstermin, um gemeinsam die beste Strategie für Deinen zweiten Anlauf zu besprechen. Mit der richtigen Hilfestellung wirst Du Dein Juraexamen beim zweiten Versuch sicher bestehen und Deinen Weg zum Volljuristen gehen.

RA Mario Kraatz
Gründer und Geschäftsführer der Kraatz Group
 


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