Zu differenzieren ist die Konstellation, bei der ungleichwertige Tatobjekte im Spiel sind (beispielsweise Mensch wird anvisiert, Tier wird versehentlich getroffen) und die, bei der die Tatobjekte gleichwertig sind (beispielsweise Mensch wird anvisiert, anderer Mensch wird getroffen).

 

1) Rechtliche Behandlung der aberratio ictus bei Ungleichwertigkeit der Tatobjekte

Unumstritten ist, dass bei ungleichwertigen Tatobjekten, d.h. wenn anvisiertes und getroffenen Objekt nicht gleichwertig sind, ein beachtlicher Tatbestandsirrtum nach § 16 I StGB vorliegt. Es ist dann die Strafbarkeit wegen Versuchs bzgl. des anvisierten Objekts und die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit bzgl. des tatsächlich getroffenen Objekts anzunehmen.

 

2) Rechtliche Behandlung der aberratio ictus bei Gleichwertigkeit der Tatobjekte
Hier ist die rechtliche Behandlung umstritten:

Nach der Gleichwertigkeitstheorie soll in diesem Fall der Täter wegen eines vollendeten Delikts bzgl. des getroffenen Objekts zu bestrafen sein. Der Täter hatte Vorsatz bzgl. der Tötung eines Menschen und hat auch einen Menschen getötet.
Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass der Täter sein Tatobjekt vorher individualisiert hat. Er wollte gerade nicht das getroffene, sondern ein anderes Objekt treffen. Es ist ihm auch nicht zu unterstellen, dass er nur ein Objekt der Gattung „Mensch“ treffen wollte und keinen individuellen Menschen ins Auge gefasst hat.

Die Konkretisierungstheorie geht deswegen davon aus, dass sich der Täter nur wegen Fahrlässigkeit am wirklich getroffen Objekt und wegen Versuchs bzgl. des ursprünglich anvisierten Objekts strafbar macht.
Hieran kann kritisiert werden, dass die Strafbarkeit nur wegen Fahrlässigkeit und wegen Versuchs dem Unrecht nicht gerecht wird. Dem würde nur die Strafbarkeit wegen eines vollendeten Delikts gerecht werden.

Eine weitere Ansicht differenziert zwischen höchstpersönlichen und nicht höchstpersönlichen Rechtsgütern. Eine Strafbarkeit wegen eines vollendeten Delikts soll nur dann entfallen, wenn durch das Fehlgehen der Tat höchstpersönliche Rechtsgüter verletzt werden. Bei übertragbaren Rechtsgütern wie Eigentum soll eine Strafbarkeit wegen eines vollendeten Delikts mangels Vorsatzes ausscheiden. Nur wenn höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben verletzt werden, ist die Individualität des Angriffsobjekts für das im Tatbestand vertypte Unrecht von Bedeutung.


Die rechtliche Behandlung der aberratio ictus gehört zum Standardwissen im Strafrecht. In einem früheren Blogbeitrag haben wir eine Übersicht über Irrtümer im Strafrecht zusammengestellt, die für Ihre Prüfung interessant sein könnte. Schauen Sie dort gern vorbei!

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