Überblick über die Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG

18.10.2024 | von Dr. Robert König

Meinungsfreiheit & Co.

Art. 5 I GG enthält die elementaren kommunikativen Grundrechte:
  • Meinungsfreiheit
  • Informationsfreiheit
  • Pressefreiheit
  • Rundfunkfreiheit
  • Filmfreiheit
Diese – allen voran die Meinungsfreiheit – bezeichnet das BVerfG als für die Demokratie „schlechthin konstituierend“. Im heutigen Artikel wollen wir uns daher die Schutzbereiche dieser für Studium und Praxis wichtigen Grundrechte näher ansehen.

Persönlicher Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 5 I GG

Alle 5 Grundrechte sind ihrem Wortlaut nach als sog. Jedermann-Grundrechte ausgestaltet. Mithin kann sich jede natürliche Person auf sie berufen. Im Gegensatz hierzu stehen die sog. Deutschen-Grundrechte (z.B. Art. 8 GG), die nur deutschen Staatsbürgern (Art. 116 GG) zustehen.
Hinweis: Wie Ihr sicher wisst, stehen die Deutschen-Grundrechte de facto auch EU-Bürgern anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu (ungeachtet ob man sie direkt oder nach der wohl h.M. über eine erweiternde Auslegung von Art. 2 I GG auf EU-Bürger anwendet).
In Verbindung mit Art. 19 III GG können die Kommunikationsgrundrechte auch juristische Personen schützen.
Beispiel: Ein Zeitungsverlag kann sich auf die Pressefreiheit gem. Art. 5 I S. 2, 1. Alt. GG berufen.

Sachlicher Schutzbereich der kommunikativen Grundrechte

Meinungsfreiheit nach Art. 5 I S. 1, Alt. 1 GG

Von allen 5 Grundrechten aus Art. 5 I GG besitzt die Meinungsfreiheit die mit Abstand höchste Klausurrelevanz.
In den sachlichen Schutzbereich fallen sämtliche Meinungen, unabhängig von ihrer „Wertigkeit“ oder Gesinnung. In Abgrenzung zu Tatsachen ist eine Meinung durch Elemente „der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung“ geprägt.
Tatsachenbehauptungen fallen grds. nicht unter den Schutzbereich. Tatsachenbehauptungen sind im Gegensatz zu Meinungen dem Wahrheitsbeweis zugänglich. Mithin können sie wahr oder falsch sein. Sie können nur dann unter den sachlichen Schutzbereich fallen, sofern sie die Voraussetzung für die Bildung einer Meinung oder meinungsbezogen sind (Degenhart in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 GG Rn. 11). Dies ist darin begründet, dass ein Werturteil ohne einen Bezug zu einer Tatsache häufig nicht gebildet werden kann. Mithin bedürfen Werturteile oftmals einer tatsächlichen Grundlage.
Unwahre Tatsachenbehauptungen genießen nach dem BVerfG indes keinen Schutz, selbst wenn sie Grundlage einer Meinungsbildung sind (BVerfG, NJW 2016, 3360).
Die Grenze des Schutzbereiches wird jedoch bei einer Schmähkritik oder Formalbeleidigung (vgl. § 192 StGB) überschritten. Schmähkritik liegt vor, „wenn eine Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht.“ Bei der Schmähkritik steht mithin die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund, ohne Auseinandersetzung in der Sache. In einem solchen Fall fällt die Äußerung nach Ansicht des BVerfG nicht unter den Schutzbereich des Art. 5 I GG.
Klausurproblem: Mehrdeutige Äußerungen
Mehrdeutige Aussagen sind auszulegen. Um eine Meinung richtig einordnen zu können, ist der objektive Sinn der Äußerungen zu ermitteln. Dabei richtet sich der Maßstab nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Neben dem Wortlaut sind bei der Auslegung der Kontext und die Begleitumstände der Äußerung zu berücksichtigen. Wenn es sich um eine nach diesem Maßstab mehrdeutige Äußerung handelt, darf der Äußerung eine sanktionierte Bedeutung nur dann beigemessen werden, wenn zuvor alle in Betracht kommenden sanktionslosen Bedeutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen wurden. Im Zweifel sollte man sich hier für die Meinungsfreiheit entscheiden und die betreffende Äußerung dem sachlichen Schutzbereich zuordnen.
Klausurproblem: Falsche Auslegung durch Fachgericht
Die falsche Auslegung einer Äußerung durch ein Fachgericht verletzt die Meinungsfreiheit (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 11.04.2024 – 1 BvR 2290/23). Dies gilt nicht nur für die Frage der mehrdeutigen Äußerungen, sondern insgesamt für die Meinungsfreiheit.
Sieht z.B. ein Fachgericht eine Aussage zu Unrecht als unwahre Tatsachenbehauptung an, obwohl diese im Kontext als Meinungsäußerung auszulegen ist, liegt eine Verletzung der Meinungsfreiheit vor. Gleiches gilt, wenn das Fachgericht z.B. zu Unrecht eine Aussage als Schmähkritik einordnet.

Informationsfreiheit nach Art. 5 I S. 1 Alt. 2 GG

Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs hat die folgenden 2 Voraussetzungen:
  • Quelle
  • Allgemein zugänglich
Informationsquellen sind zum einen jeder denkbare Träger von Informationen, zum anderen die Information selbst (Kingreen/Poscher, Rn. 768). Es kommt nicht darauf an, ob die Quelle einen öffentlichen oder privaten Sachverhalt umfasst. Träger von Information sind z.B. ein Buch, eine Zeitschrift oder eine TV-Sendung. Die Information selbst kann z.B. eine Wahlkampfveranstaltung oder der Auftritt eines berühmten Schauspielers sein.
Allgemein zugänglich sind Quellen, wenn sie technisch geeignet und dazu bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen (Kingreen/Poscher, Rn. 770).
Die Allgemeinheit definiert sich als ein individuell nicht bestimmbarer Personenkreis. Nicht allgemein zugänglich sind daher Betriebsinterna. Selbst wenn ein Unternehmen mehrere tausend Mitarbeiter beschäftigt, sind diese internen Informationen nicht einem individuell unbestimmten Personenkreis zugänglich (BVerfGE 66, 116 – Wallraff).
Die Informationsfreiheit schützt nicht nur das (passive) Entgegennehmen von Informationen, sondern auch die aktive Informationsbeschaffung.
Darüber hinaus schützt Art. 5 I S. 1 Alt. 2 GG auch die negative Informationsfreiheit. Dies ist die Freiheit, staatliche Informationen nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.

Pressefreiheit nach Art. 5 I S. 2, 1. Alt. GG

Die Presse umfasst nach dem herkömmlichen Verständnis alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse. Zur Verbreitung bestimmt ist ein betreffendes Druckerzeugnis, wenn es sich an eine unbestimmte Vielzahl von potentiellen Empfängern richtet. Allgemein zugänglich muss ein Druckerzeugnis hingegen nicht sein, sodass z.B. auch Werkzeitungen erfasst sein können (BVerfGE 95, 28, 35). Reine Individualkommunikation wird hingegen nicht von der Pressefreiheit, sondern von Art. 10 I GG geschützt. Heutzutage werden aber auch physische Ton- und Bildträger dem Schutzbereich der Pressefreiheit unterstellt.
Wie auch bei der Meinungsfreiheit stellt die Pressefreiheit keine inhaltlichen Anforderungen an das jeweilige Druckerzeugnis. Daher wird auch bloßer Unterhaltungsjournalismus (z.B. die Zeitschrift „Bunte“) geschützt.
Die Pressefreiheit schützt sämtliche pressespezifischen Tätigkeiten. Dies reicht von der Informationsgewinnung bis zur Veröffentlichung der Presseerzeugnisse. Also sind auch Recherche, der Schutz der Informationsquelle und des Informanten sowie die Führung von Interviews umfasst. Selbst presseinterne Hilfstätigkeiten (z.B. Werbeabteilung einer Zeitung) sind geschützt.

Rundfunkfreiheit nach Art. 5 I 2, 2. Alt. GG

Rundfunk ist jede an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder drahtgebundene Übertragung von Gedankeninhalten durch elektromagnetische Wellen. Hierzu geht nicht nur das Radio (Hörfunk), sondern auch das TV (BVerfGE 12, 205) und Online-Medien (die nach h.M. keine Presse sind).
Die Rundfunkfreiheit unterscheidet sich von der Pressefreiheit durch die technische Ausgestaltung.
Die Berichterstattung umfasst sämtliche Tätigkeiten, die mit der Veranstaltung des Rundfunks zusammenhängen. Wie bei der Pressefreiheit umfasst dies sämtliche Tätigkeiten von der Informationsbeschaffung über die Produktion der jeweiligen Sendungen bis hin zu deren Verbreitung.

Filmfreiheit nach Art. 5 I 2, 3. Alt. GG

Film wird definiert als Bildreihe, die durch Projektion der Öffentlichkeit vorgeführt wird. Beispiele sind Kinofilme, Filme auf analogen oder digitalen Speichermedien (z.B. VHS, DVD) sowie auch Streamingangebote im Internet (z.B. Netflix).
Geschützt sind alle Tätigkeiten vom Drehbuch über die Produktion bis hin zur Vorführung des fertigen Films und seiner Vermarktung. Dabei dürfen die Filmschaffenden (und i.V.m. Art. 19 III GG die Filmunternehmen) eigenständig und frei über die Inhalte entscheiden (sog. Tendenzschutz).

Fazit zu dem Kommunikationsgrundrechten

Von den 5 Kommunikationsgrundrechten sind die Meinungs- und Pressefreiheit am klausurrelevantesten. Häufig werden Examensklausuren, die diese Grundrechte betreffen, auf der Grundlage aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestellt. Die in unserem Blog besprochene Entscheidung BVerfG, Beschluss vom 11.04.2024 – 1 BvR 2290/23  (Julian Reichelt kann sich gegenüber dem BMZ auf Art. 5 I GG berufen) ist z.B. eine perfekte Klausurvorlage.

Dr. Robert König
Mitgeschäftsführer, Jura Essentials Verlag
 


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